Heute ist Tag des schlechten Wortspiels

Wenn Ihre Kollegen Sie heute Morgen mit „Hallöchen Popöchen“ begrüßt haben oder man Ihnen „Herzlichen Glühstrumpf“ zum Geburtstag gewünscht hat, könnte es sein, dass sie den Tag des schlechten Wortspiels zelebrieren. Oder Sie haben nur „total witzige“ Kollegen.
Aber statt mit Floskeln wie „Ende Gelände„, „Schittebön“ und „Tschüssikowsky, bis peter“ um sich zu werfen, geben Sie sich beim Kontern doch bitte wenigstens ein bisschen mehr Mühe. Erzählen Sie in der Frühstückspause einen schönen Witz wie „Kommt ein Pferd in den Blumenladen und fragt ‚Hamse ma geritten?‚“ oder „Warum gehen Ameisen nicht in die Kirche? Weil sie Insekten sind.„.
Zugegeben, die Auswahl ist überschaubar – aber im Zweifelsfall können sie ja noch aufs Wortspielmutterland Großbritannien ausweichen:

  • I’m reading a book about anti-gravity. I just can’t put it down.
  • When she told me I was average, she was just being mean.
  • Reading while sunbathing makes you well-red.
  • After working for 24 hours straight he called it a day.
  • Jokes about German sausage are the wurst.
  • Broken pencils are pointless.
  • I tried to catch some fog, but I mist.
  • I did a theatrical performance about puns. It was a play on words.

Und diese Liste der „bad puns“ könnte noch endlos weitergehen. Da englischer Humor stark von Wortspielen geprägt ist, geht zum Bleistift (sorry) bei deutschen Synchronfassungen gerne mal etwas verloren.
Allen (guten) Übersetzern, die sich auch heute wieder stunden- und tagelang den Kopf über gute Wortspielübersetzungen zerbrechen, wünschen wir viel Erfolg und allen anderen viel Spaß am Tag des schlechten Wortspiels und gegen 17 Uhr dann „happy party evening!“ (auch wenn noch gar nicht Tag der schlechten Übersetzung ist).

[von Sandra Bulla]

Wer abkürzt ist schneller?

Eine Geschichte vom Abkürzen und eine Checkliste für Technische Dokumentation

Manchmal gibt es diese Tage, da kommt alles zusammen – OMG!
I. d. R. arbeiten meine Frühaufsteher-Kolleginnen schon auf Hochtouren am PC, wenn ich durch die Tür komme, heute schaue ich in lange Gesichter. „Streikt die EDV wieder?“ – „Ja, alles K.O., E-mail, Internet etc.“. Vorwurfsvolle Geste in Richtung Doppel-LCD-Bildschirme. „Ich mach dann schon mal etwas DTP-Arbeit offline, hat schon jemand die S1000D-IETD-Module von der CD-ROM kopiert? Die müssen noch in STE umgemodelt werden.“ Natürlich kommt jetzt noch ein ganz dringender Auftrag rein, telefonisch – wie gut, dass das Telefon noch funktioniert. HTML-Dateien für eine Website über Laser-Anwendungen, asap bitte in en, zh & it.
„Hast du schon die Nr. vom Admin gewählt?“ – „Jaaa“, schreit die Kollegin von der Tür, die gerade u. a. einen Stapel AT-Ausdrucke balanciert, während sie von einem Vokuhila-Paketboten ein Päckchen entgegennimmt. Mein Kundenradar sagt mir, dass heute aufgrund der technischen Probleme besonders viele Aufträge reinkommen werden. „Mein Akku ist leer!“ quietscht es aus der anderen Ecke. Was denn, jetzt schon? Ach so, es geht um die Digicam. Bsss, meine Arbeitsplatzleuchte flackert angriffslustig vor sich hin – hatte ich dem Hausmeister eigentlich schon wegen des Trafos Bescheid gegeben? Etwas später sind wir wieder online und ich kann einen Auftrag rausschicken: 2k Wörter de-fr mit TM, ZT-Lieferung bitte bis 12:00 CET, s. Übersetzung unter angegebener URL bzw. vgl. FAQs, viel Spaß und a+.
Wenig später hänge ich wieder am Telefon –meine Kollegin macht Raubkatzenkrallen in der Luft und formt << Rrrooarrr >> mit ihren Lippen – LI0n, ja natürlich, ich muss los zum Vortrag über Softwarelokalisierung. „Gut gebrüllt, Löwe!“ erwidere ich auf dem Weg zur Tür, „Aber nicht die A7 nehmen, Elbtunnelstau!“ kommt es zurück. Zwinkernd blicke ich über die Schulter und sage: „Keine Sorge, ich nehme die Abkürzung.“ 😉

Abkürzungsdschungel

Der Kreativität sind bei der Bildung von Abkürzungen kaum Grenzen gesetzt: von „sprechbaren“ Kurzwörtern wie Laser, Radar oder Vokuhila über reine Buchstabenketten bis hin zu Kombinationen mit Zahlen (L10n – „Lion“ – steht für Localization) und Sonderzeichen (a+ (à plus) ist die französische Variante von cu – see you).

Viele werden so gängig, dass sie nicht nur schriftlich, sondern auch verbal im Alltag verwendet werden (Akku, Trafo). Andere sind nur einer bestimmten Gruppe geläufig, z. B. „AT“ für „Ausgangstext“ und „ZT“ für Zieltext im Übersetzungsuniversum. So eine Gruppe kann dann aber aufgrund des gemeinsamen Konventionssystems besonders effektiv miteinander kommunizieren.

Abkürzungen werden auch gerne in Technischer Dokumentation (TD) verwendet. Sie sparen Zeit beim Tippen, lassen sich schneller lesen und sparen Platz, was wiederum auch Druckkosten sparen kann. Woran man jedoch nicht sparen sollte, ist die „Benutzerfreundlichkeit“ der verwendeten Abkürzungen. Nur weil sich eine Abk. schneller liest, heißt das natürlich nicht, dass man nicht vielleicht wieder mehr Zeit braucht, um die Abk. zu verarbeiten und zu verstehen. Die Zielgruppen sind nicht immer homogen. Und auch einige andere Problematiken mit Abkürzungen sollte man bedenken.

Hier unsere Checkliste in Sachen Abkürzungen in (multilingualer) TD:

  • Habe ich Abkürzungen im Text, die noch im Abkürzungsverzeichnis fehlen? Oder gar welche im Abkürzungsverzeichnis, die gar nicht im Dokument vorkommen?
  • Habe ich eine oft verwendete Abkürzung richtig eingeführt? Trotz Abkürzungsverzeichnis sollte eine zentrale, nicht gängige Abkürzung vor ihrer ersten Verwendung mit Langform erwähnt werden. Dies muss man eventuell am Anfang mehrerer Kapitel wiederholen, da ein Handbuch z. B. ja nicht immer vollständig gelesen wird, um eine bestimmte Aktion durchzuführen.
  • Habe ich Abkürzungen in sicherheitsrelevanten Texten verwendet? Man sollte jegliches Unverständlichkeitsrisiko in Sicherheitshinweisen vermeiden.
  • Habe ich im Text Abkürzungen verwendet, die nicht gängig sind?
    Gerade bei Telegrammstil oder in Tabellen können solche Abkürzungen mehrdeutig sein, manche können im Zuge von Übersetzungen von nicht-deutschen Muttersprachlern gar nicht aufgelöst werden und auch meine deutsche Leserschaft muss ich ja nicht unnötig quälen.
  • Habe ich irgendwo übersetzbare Abkürzungen in einem Abkürzungsdschungel „versteckt“, die man eventuell nicht mehr als solche erkennen kann?
    Zum Beispiel ein „ff.“ in einer Tabelle mit lauter unveränderlichen IT-Benennungen oder Dateinamen, welches tatsächlich als „und folgende“ übersetzt werden soll.
  • Habe ich firmen- oder fachspezifische Abkürzungen verwendet, für die es in den Übersetzungssprachen kein Äquivalent gibt? Vielleicht sind sie in Deutsch schöne, leicht zu merkende Abkürzungen, in anderen Sprachen aber so nicht umsetzbar. Dann muss ich damit rechnen, dass die Abkürzung später keine Abkürzung mehr ist, sondern eine Langform – eventuell auch eine sehr lange Langform. Also ggf. mehr Platz in Tabellen, Grafiken etc. einplanen und nicht auf die Abkürzung verlassen. Solche Abkürzungen, die hinterher keine mehr sind, muss man dann auch im zielsprachigen Abkürzungsverzeichnis löschen.

Und zur Erinnerung in Sachen Rechtschreibung:

  • Das (geschützte) Leerzeichen bei „bepunkteten“ Abkürzungen nicht vergessen (z. B., d. h.)
  • Bei Abkürzungen am Satzende geht der Punkt im Satzpunkt auf, verschwindet jedoch nicht vor anderen Satzendzeichen.
[von Sandra Bulla]

 

Übersetzer vs. Dolmetscher

Übersetzer vs. Dolmetscher„The interpreters used in our subtitling projects are…“ stirnrunzelnd folgte ich einem Vortrag über Untertitelung bei einer Übersetzer- und Dolmetscherveranstaltung. War wohl nur ein Versprecher. Nach 10 Minuten und weiteren 20 Nennungen von „interpreter“ wurde ich unruhig. Dolmetscher für Untertitelung von Filmen?

Jeder Übersetzer ist vermutlich schon einmal von Freunden, Bekannten oder völlig Fremden als „Dolmetscher“ bezeichnet worden. Das ist fast so verbreitet wie das Phänomen, dass einem unvermittelt kontextlose Wörter um die Ohren gehauen werden mit der Erwartung, eine „Instant-Übersetzung“ dafür zu bekommen.
Dem Laien sei versichert: Es handelt sich um zwei unterschiedliche Berufe mit unterschiedlichen Anforderungen – daher auch die zwei unterschiedlichen Benennungen. Dieses Prinzip findet sich auch in anderen Sprachen wieder:
> engl.: translator vs. interpreter
> franz.: traducteur vs. interprète
> span.: traductor vs. intérprete

…wie konnte es jetzt ausgerechnet auf einer Fachtagung dazu kommen, dass das verwechselt wurde? Nun, es handelte sich um einen russischen Referenten, der auf Englisch vortrug. Warum das einen Unterschied macht, erklärt Ihnen am besten meine russische Kollegin… Frau Kollegin, bitte übernehmen Sie…

Sehr gerne…
Die russische Entsprechung für „Übersetzer“ ist quasi ein Sammelbegriff für „Übersetzer“ und „Dolmetscher“. Um diese Begriffe auseinanderhalten zu können, werden im Zusammenhang mit diesem Substantiv kontextabhängig zwei Adjektive verwendet.
Somit ergibt sich für „Dolmetscher“ = „устный переводчик“ (wörtlich: der mündliche Übersetzer) und für „Übersetzer“ = „письменный переводчик“ (wörtlich: der schriftliche Übersetzer).
Oft ist es aber so, dass man auf eine explizite Unterscheidung zwischen einem Übersetzer und einem Dolmetscher verzichtet und nur die Tätigkeit des Übersetzers/Dolmetschers an sich als „mündliche/schriftliche Übersetzung“ konkretisiert. Sprich, in manchen Fällen wird gar nicht genauer beschrieben, ob es sich denn jetzt um einen Dolmetscher oder einen Übersetzer handelt und somit ist der „Gesuchte“ nur aus dem Gesamtkontext zu erschließen.
Etymologisch (Anm.: das ist übersetzernerdisch für „von der Wortherkunft her“) konnte ich den Grund für dieses Phänomen auch nach ausgiebiger Fachbuch- und Internetrecherche nicht belegen. Interessant ist aber die Tatsache, dass es etwa bis zum 18. Jahrhundert im Russischen eine eigene Benennung für „Dolmetscher“ gab, die dann im Laufe der Zeit mehr und mehr durch die heutige Form des „mündlichen Übersetzers“ ersetzt wurde.

Übrigens gibt es für „Sprache“ und „Zunge“ auch nur ein Wort im Russischen – wenn man vergisst, dass die Zuordnung „Konzept zu Benennung“ nicht immer 1:1 ist, können sich schnell übersetzerische (oder dolmetscherische? ;-)) Missverständnisse und Fehlgriffe ergeben.

[von Sandra Bulla et al.]

Top 5 der Dinge, die man nicht mit Engländern besprechen kann :-)

  1. Dinner for One
  2. Handys, twens, gymnasium
  3. Guidelines
  4. Suspenders
  5. Fußball (but that’s another story…)

Zum Neujahrswechsel taucht bei uns immer ein gutes, altes Ritual auf: am Silvesterabend Dinner for One im Dritten schauen. Für uns Deutsche ein Inbegriff von Britishness – wer jetzt aber glaubt man könnte sich auch mit Tom, Dick und Harry darüber austauschen, der irrt. Der Sketch stammt zwar von einem britischen Autor und wird mit britischen Schauspielern aufgeführt, ist aber in Großbritannien so gut wie gar nicht bekannt. Wer also same procedure as every year zitiert, sollte sich nicht über eine ausbleibende Reaktion wundern.
Bei Punkt zwei handelt es sich um englische oder vermeintlich englische Wörter, die man nicht so verwenden kann wie vielleicht jetzt manche von Ihnen denken. Die ersten beiden fallen unter Scheinanglizismus oder Pseudoentlehnung (sieht englisch aus, ist es aber nicht), gymnasium unter Falsche Freunde (klingt ähnlich oder sieht gleich aus, hat aber eine andere Bedeutung). Verwenden Sie stattdessen lieber mobile phone, in his/her twenties und am ehesten grammar school (wobei das natürlich aufgrund unterschiedlicher Schulsysteme nun auch nicht deckungsgleich ist – willkommen im Leben des Übersetzers). Letzteres stand schon in unseren Englisch-Schulbüchern, was dazu führte, dass meine Freundinnen und ich in jungen Jahren vergeblich versuchten, mit diesem Wort ein paar Italienern unsere Schulform zu beschreiben („Ihr geht auf eine Grammatik-Schule? Das ist ja furchtbar!“).
Punkt drei steht stellvertretend für ein kulturelles Problem. Wenn sich englische und deutsche Geschäftsleute über guidelines unterhalten, kann es haarig werden: anscheinend von englischer Seite eher als flexibel interpretiert, wird sie von deutscher eher als verbindlich angesehen1. Also aus unserer Sicht: Wozu haben wir denn eine Guideline, wenn wir uns nicht daran halten? (in unserem Geschäftsalltag gibt es auch gerne den Styleguide – und der sollte auch verbindlich sein, es sei denn man steht auf Sisyphusarbeit). Tja, und wieder zum englischen Klischee des folgsamen Deutschen beigetragen ;-).
Prinzipiell können Sie sich natürlich schon mit Briten über suspenders unterhalten, das Gespräch würde dann aber intimer ausfallen als eine Diskussion über Hosenträger. Haben Sie diese Übersetzung für sich gespeichert, dann stammt sie aus den USA. Ja, noch so eine andere Art von Stolperfalle – in GB sind suspenders Strapse und Hosenträger sind braces.
And now for something completely different: Der letzte Punkt ist der Grund, warum Engländer in der Überschrift steht und nicht Briten (normalerweise verwende ich das nicht synonym) ;-P

(1Quelle: http://www.sueddeutsche.de/karriere/business-englisch-not-so-sir-1.595767).

[von Sandra Bulla]