Die neue Frei-Heit

Dank moderner Technik kann jedermann heute sehr schnell in Etiketten-Massenproduktion gehen – zu schnell?

In der Süßwarenabteilung eines hiesigen Supermarkts kann man dieses interessante Exemplar in ca. 20-facher Ausfertigung bewundern.

Man weiß gar nicht recht, womit man anfangen soll… „Gelantine“ – gehört hatte ich das ja schon häufiger, aber nicht gelesen. Das Wort „Gelatine“ kommt aus dem Französischen (gélatine) und geht zurück auf das lateinische gelare (gefrieren/ erstarren lassen).
Wann, fragt man sich, hat sich bloß dieses beliebte Parasiten-n dazwischengemogelt?
Gelantine-Frei“ – bei dem Bindestrich kann man an der Stelle zur Abwechslung mal nicht meckern (das Wort wird ja schließlich wirklich durch einen Zeilenumbruch getrennt), aber die Groß- und Kleinschreibung ist – nun ja – kreativ. 😉
Korrekt wäre hier „gelatinefrei“, denn eine solche Zusammensetzung aus Substantiv und Adjektiv wird nach den geltenden Rechtschreibregeln zu einem neuen Adjektiv und damit grundsätzlich klein- und zusammengeschrieben.

[von Susen Blaha]

Sein Name ist Brötchen, Franz Brötchen.

Neulich in Othmarschen: Ich stehe an der Haltestelle und warte auf die S-Bahn, als mein Blick auf eine Werbetafel des örtlichen Kiosks fällt. Franz Brötchen. Ich wundere mich: Ob das Gebäck in diesem Geschäft wohl neuerdings mit Vor- und Nachnamen angesprochen wird? 😉
Der Ortskundige weiß: Gemeint ist eigentlich das Franzbrötchen, ein in Hamburg beliebtes, zimtschneckenähnliches Gebäck. Und der fleißige Schönschrift-Tafelschreiber hat offensichtlich ein Problem mit der Zusammen- und Getrenntschreibung. Bastian Sick spricht in solchen Fällen ironisch vom „Deppen Leer Zeichen“, aber so etwas Böses wollen wir natürlich hier nicht einfach unterstellen.

Stellt sich nun die Frage, wie es zu dieser mittlerweile recht verbreiteten Fehlerart kommt. Hierzu existieren verschiedene Theorien. Eine besagt, dass es sich um einen Einfluss der englischen Sprache, also einen Anglizismus handelt. Im Englischen werden zusammengesetzte Begriffe nämlich nicht zusammengeschrieben (service center, power plant). Im Deutschen dagegen gelten andere Regeln und zusammengesetzte Begriffe (auch Komposita genannt) müssen zusammengeschrieben werden. In bestimmten Fällen kann bzw. muss aus Gründen der Übersichtlichkeit ein Bindestrich gesetzt werden (z. B. Mehrzweck-Werkzeuge, 8-Zylinder, 24-V-Versorgung). Aber eine Getrenntschreibung ist in keinem Fall regelkonform.
Diese falsch gesetzten Leerzeichen können in Anbetracht der deutschen Betonungsregeln nicht nur den Lesefluss stören, sondern sogar den Sinn verändern; nicht selten, wie oben veranschaulicht, mit unfreiwillig komischem Ergebnis.

Nachtrag Juni: Oh, liest da etwa jemand unseren Blog? 🙂 Schöner Ansatz, aber bitte noch mal in „2 XL-Franz-brötchen“ ändern!

 

 

 

 

[von Susen Blaha]

Übersetzer vs. Dolmetscher

Übersetzer vs. Dolmetscher„The interpreters used in our subtitling projects are…“ stirnrunzelnd folgte ich einem Vortrag über Untertitelung bei einer Übersetzer- und Dolmetscherveranstaltung. War wohl nur ein Versprecher. Nach 10 Minuten und weiteren 20 Nennungen von „interpreter“ wurde ich unruhig. Dolmetscher für Untertitelung von Filmen?

Jeder Übersetzer ist vermutlich schon einmal von Freunden, Bekannten oder völlig Fremden als „Dolmetscher“ bezeichnet worden. Das ist fast so verbreitet wie das Phänomen, dass einem unvermittelt kontextlose Wörter um die Ohren gehauen werden mit der Erwartung, eine „Instant-Übersetzung“ dafür zu bekommen.
Dem Laien sei versichert: Es handelt sich um zwei unterschiedliche Berufe mit unterschiedlichen Anforderungen – daher auch die zwei unterschiedlichen Benennungen. Dieses Prinzip findet sich auch in anderen Sprachen wieder:
> engl.: translator vs. interpreter
> franz.: traducteur vs. interprète
> span.: traductor vs. intérprete

…wie konnte es jetzt ausgerechnet auf einer Fachtagung dazu kommen, dass das verwechselt wurde? Nun, es handelte sich um einen russischen Referenten, der auf Englisch vortrug. Warum das einen Unterschied macht, erklärt Ihnen am besten meine russische Kollegin… Frau Kollegin, bitte übernehmen Sie…

Sehr gerne…
Die russische Entsprechung für „Übersetzer“ ist quasi ein Sammelbegriff für „Übersetzer“ und „Dolmetscher“. Um diese Begriffe auseinanderhalten zu können, werden im Zusammenhang mit diesem Substantiv kontextabhängig zwei Adjektive verwendet.
Somit ergibt sich für „Dolmetscher“ = „устный переводчик“ (wörtlich: der mündliche Übersetzer) und für „Übersetzer“ = „письменный переводчик“ (wörtlich: der schriftliche Übersetzer).
Oft ist es aber so, dass man auf eine explizite Unterscheidung zwischen einem Übersetzer und einem Dolmetscher verzichtet und nur die Tätigkeit des Übersetzers/Dolmetschers an sich als „mündliche/schriftliche Übersetzung“ konkretisiert. Sprich, in manchen Fällen wird gar nicht genauer beschrieben, ob es sich denn jetzt um einen Dolmetscher oder einen Übersetzer handelt und somit ist der „Gesuchte“ nur aus dem Gesamtkontext zu erschließen.
Etymologisch (Anm.: das ist übersetzernerdisch für „von der Wortherkunft her“) konnte ich den Grund für dieses Phänomen auch nach ausgiebiger Fachbuch- und Internetrecherche nicht belegen. Interessant ist aber die Tatsache, dass es etwa bis zum 18. Jahrhundert im Russischen eine eigene Benennung für „Dolmetscher“ gab, die dann im Laufe der Zeit mehr und mehr durch die heutige Form des „mündlichen Übersetzers“ ersetzt wurde.

Übrigens gibt es für „Sprache“ und „Zunge“ auch nur ein Wort im Russischen – wenn man vergisst, dass die Zuordnung „Konzept zu Benennung“ nicht immer 1:1 ist, können sich schnell übersetzerische (oder dolmetscherische? ;-)) Missverständnisse und Fehlgriffe ergeben.

[von Sandra Bulla et al.]

es mehr Obst – Gedanken zum Imperativ

Neulich im Altonaer Bahnhof: Auf dem Nachhauseweg kam ich an dieser kommentierten Plakatwerbung einer Apotheke vorbei, die mich verdutzt stehen bleiben ließ.
es mehr Obst
. Nun ja, der Ratschlag an sich mag ja gut gemeint sein, aber nicht nur, dass der Künstler eine falsche (wenn auch bei einigen sehr beliebte) Imperativform verwendet, er hat sie zusätzlich noch mit einem Rechtschreibfehler versehen, was beim Anblick des Gesamtkunstwerks besonders zum Stirnrunzeln einlädt.

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Ein guter Anlass noch mal an den Imperativ an sich zu erinnern: Beim Imperativ handelt es sich um die Befehlsform eines Verbs (in diesem Fall essen). Essen ist ein starkes Verb, dessen Stammvokal bei der Konjugation von  e  zu  i  wechselt. Der Imperativ wird in der Regel aus der 2. Person Singular Präsens abgeleitet (du isst) und der korrekte Imperativ lautet somit iss!. Die umgangssprachlich immer wieder verwendete Form ess! ist vom Duden nicht anerkannt und sollte daher vermieden werden.
Nach demselben Muster verhält es sich unter anderem bei den Verben geben (gib!), nehmen (nimm!) und helfen (hilf!).

Gut, drücken wir ein Auge zu:
Obst statt Pillen – eine unterstützenswerte Parole für 2013 😉 😉 😉

[von Susen Blaha]

Top 5 der Dinge, die man nicht mit Engländern besprechen kann :-)

  1. Dinner for One
  2. Handys, twens, gymnasium
  3. Guidelines
  4. Suspenders
  5. Fußball (but that’s another story…)

Zum Neujahrswechsel taucht bei uns immer ein gutes, altes Ritual auf: am Silvesterabend Dinner for One im Dritten schauen. Für uns Deutsche ein Inbegriff von Britishness – wer jetzt aber glaubt man könnte sich auch mit Tom, Dick und Harry darüber austauschen, der irrt. Der Sketch stammt zwar von einem britischen Autor und wird mit britischen Schauspielern aufgeführt, ist aber in Großbritannien so gut wie gar nicht bekannt. Wer also same procedure as every year zitiert, sollte sich nicht über eine ausbleibende Reaktion wundern.
Bei Punkt zwei handelt es sich um englische oder vermeintlich englische Wörter, die man nicht so verwenden kann wie vielleicht jetzt manche von Ihnen denken. Die ersten beiden fallen unter Scheinanglizismus oder Pseudoentlehnung (sieht englisch aus, ist es aber nicht), gymnasium unter Falsche Freunde (klingt ähnlich oder sieht gleich aus, hat aber eine andere Bedeutung). Verwenden Sie stattdessen lieber mobile phone, in his/her twenties und am ehesten grammar school (wobei das natürlich aufgrund unterschiedlicher Schulsysteme nun auch nicht deckungsgleich ist – willkommen im Leben des Übersetzers). Letzteres stand schon in unseren Englisch-Schulbüchern, was dazu führte, dass meine Freundinnen und ich in jungen Jahren vergeblich versuchten, mit diesem Wort ein paar Italienern unsere Schulform zu beschreiben („Ihr geht auf eine Grammatik-Schule? Das ist ja furchtbar!“).
Punkt drei steht stellvertretend für ein kulturelles Problem. Wenn sich englische und deutsche Geschäftsleute über guidelines unterhalten, kann es haarig werden: anscheinend von englischer Seite eher als flexibel interpretiert, wird sie von deutscher eher als verbindlich angesehen1. Also aus unserer Sicht: Wozu haben wir denn eine Guideline, wenn wir uns nicht daran halten? (in unserem Geschäftsalltag gibt es auch gerne den Styleguide – und der sollte auch verbindlich sein, es sei denn man steht auf Sisyphusarbeit). Tja, und wieder zum englischen Klischee des folgsamen Deutschen beigetragen ;-).
Prinzipiell können Sie sich natürlich schon mit Briten über suspenders unterhalten, das Gespräch würde dann aber intimer ausfallen als eine Diskussion über Hosenträger. Haben Sie diese Übersetzung für sich gespeichert, dann stammt sie aus den USA. Ja, noch so eine andere Art von Stolperfalle – in GB sind suspenders Strapse und Hosenträger sind braces.
And now for something completely different: Der letzte Punkt ist der Grund, warum Engländer in der Überschrift steht und nicht Briten (normalerweise verwende ich das nicht synonym) ;-P

(1Quelle: http://www.sueddeutsche.de/karriere/business-englisch-not-so-sir-1.595767).

[von Sandra Bulla]